GedichteGedichte

Naturlyrik: eine Sammlung von Gedichten über Feuer, Wasser, Luft, Erde, Berg und Tal etc.

 

Die Elemente

Parabase

Freudig war, vor vielen Jahren,
Eifrig so der Geist bestrebt,
Zu erforschen, zu erfahren,
Wie Natur im Schaffen lebt.

Und es ist das ewig Eine,
Das sich vielfach offenbart;
Klein das Große, groß das Kleine,
Alles nach der eignen Art.

Immer wechselnd, fest sich haltend;
Nah und fern und fern und nah;
So gestaltend, umgestaltend -
Zum Erstaunen bin ich da.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832

 

Heil dem Wasser! Heil dem Feuer!
Heil dem seltnen Abenteuer!
Heil den mildgewogenen Lüften!
Heil geheimnisreichen Grüften!
Hochgefeiert seid allhier,
Element' ihr alle vier!

(Goethe / Faust)

Allegorie_Vier_Elemente

Janssen - Allegorie: Vier Elemente

bei Ovid
bei Giuseppe Arcimboldo
bei Goethe

Das heilige Feuer

Der Himmel blau von einem rauschenden Blau, ein schwellender Akkord. Eine Wiese, wie grünes dunkles Glas, ein gestautes Grün. Ein Altar in der Mitte, graublauer Stein, rund. Eine Flamme goldd ünn wie eine Kerze, mit steilem Rauch. Kühle Ruhe. Im Grunde ein Laubberg, olivschwarz Zypressen, dahinter eine Wolkenlawine, dicht getürmt in gelbweißem Schaum. Oben das Abendlicht rostrot über die Baumwülste.

Zwei Zypressen abseits, die Spitzen rote Stifte. Am Rand der Wiese dehnt sich der Rauch in weichen Hängen. Frauen, in mohnroten Laken eine, – andere in wasserdünnen Schleiern, bis zur Hüfte eine in Schwarz und Gold, alle in Abständen. Die Arme gehoben ziehen um das Feuer. Im Kreis. Ihr Gesang müde, rot wie das Abendlicht, dehnt sich mit dem Rauch und hinaus in die Ebene bis zum hyazinthenblauen Horizont. Nur oben Licht, und Pochen und rote Wärme, über den Bäumen, am Himmel, in der Wolke.

Aber unten eine Leere und Verlassenheit, ein gläsernes Schweigen. Das Laubgrün moderig wie Kirchenluft und filzig geballt. Ein Block die Wolke, weiß zwischen der Laubspalte und darüber strotzend wie blasses Fleisch mit kernigen Muskeln. Die Frauen immer im wandelnden Kreise um das Feuer. Die Leiber braun, und Gesichter braun, alle auf Zehenspitzen in balancierendem Schritt, getragen von ihren Stimmen.

Und das satanische Rot, dies fressende, knirschende braune Rostrot an den Baumwipfeln stockt, das Grün versteinert in Andacht, die Wiese platt, stumm, wie ein gefrorener grüner See. Im Gehen schaukeln die Gewänder, die Schleiersäume knistern über den Halmen und Amulette klingeln. Aber immer lautlos das Feuer eine goldene Spirale zur Höhe in die Stille gebohrt. Leise Flamme ohne Licht. Alle Gestalten schattenlos. Lichtlos und schattenlos, in lauer Fläche der Gesang. Der Rauch röchelt. Die Stimmen schwingen reine graue Linien in flachen Wellen.
Das Grün der Wiese, die Baumwand, das Rostrot, durch alles schleicht und summt der gemurmelte Sang. Der Sang schwimmt hinaus in die Ebene. Fern blüht eine veilchenrosige Nacht aus.

Max Dauthendey, 1867-1918

Feuer - Johann Wolfgang von Goethe


Das Wasser - Ludwig Tieck
Das Wassertröpflein - Johann Wolfgang von Goethe
Wasser - Gesang der Geister über den Wassern - Johann Wolfgang von Goethe


Erde - An Mutter Erde - Christian Morgenstern


Luft - Rainer Maria Rilke
An den Aether - Friedrich Hölderlin

Die Erschaffung des Weibes - Ludwig Fulda

Paradies

Es wirft sich an's Herz, auf rauschenden schweren Flügelschlag eine ernste Amethystbläue. Eine Strahlung verborgener heiliger Quellen und aus glühenden Laubgrotten. Aus dem Gebüsch ein Mann und ein Weib. Und sie schreiten über den blumigen Rasen, Seite an Seite.
Nackt, ein feuchter Violenschein über ihren Leibern. Ein Löwe leckt seine Hand und andere Tiere folgen. Ein Eber auf der Seite des Weibes.

Eine weiße Kuh und schnäbelnde rosige Flamingos und andere, Tiger, Elephanten und noch mehr. Aus hyazintblauen Büschen kommt der Zug. Triefende Sonnenbrände über den Büschen. Durchglühte Laubhänge, Malachitleuchten und Smaragdfeuer und darüber die Luft weinrot und rotgolden, wie von üppigen Säften getränkt. Tauben, lilienweiß, die Flügel gespannt im Goldduft über dem Menschenpaare. Im Rasen, rings, kurze große Blumen, rotgefleckte Tulpen und Aurikeln und Primeln in kleinen Sträußen. Oben schmettert das Licht in Posaunen, die Sonnenbrände wirbeln und über die Laubkronen brausen die grünen Feuer.

Aber unten, alles ist Marmorkühe, alles klar, eine blaufeuchte Klarheit. Das Weib hält eine Blütengirlande hinter sich, bis zu den Biegungen der Knie schaukelt die Girlande, bei jedem Schritt streicheln sie die kühlen, tauigen Blüten. Sie neben ihm. Ihre Leiber breit und kräftiges Fleisch.

Und an ihnen die Nacktheit ist wärmeleer in unbewußter blauer Keuschheit. Die Schatten sind gelbzart wie Bütenmehl an ihrem Fleische. Aber es ist überall um sie, dies dämmerige Violenblau. Es senkt die Äste, sie wiegen sich gewölbt, wie unter Edelsteinlasten, und unter dem Laube in gedämpften Floren.

Und über den Tieren dasselbe nachdenklich schweigende Blau, das die Blutwärme verdeckt und alles rollende Rot. Die großen weißen und roten Blumen im Rasen mit den samtdunkeln Pupillen sehen zu dem Menschenpaar auf, und wandeln vor ihm her. Und auch aus ihnen das kühle stumme Blau das alles bezähmt. Das Menschenpaar schreitet über den Rasen. Der blaue Äther wogt um ihre Nacktheit, eine Strahlung verborgener heiliger Quellen und aus glühenden Grotten. Eine ernste Amethystbläue, eine Kühle, es wirft sich an's Herz aus rauschendem schweren Flügelschlag.

Max Dauthendey, 1867-1918

Die drei Alter der Natur.

Leben gab ihr die Fabel, die Schule hat sie entseelet,
Schaffendes Leben aufs neu gibt die Vernunft ihr zurück.

Friedrich von Schiller, 1750-1805


La Voie lactée (die Milchstraße) - Théodore de Banville

Naturpoesie

Das Schönste ward gedichtet
Von keines Dichters Mund,
Kein Denkmal ist errichtet,
Kein Marmor thut es kund.

Es hat sich selbst geboren,
Wie eine Blume sprießt
Und wie aus Felsenthoren
Ein Brunnquell sich ergießt.

Friedrich Rückert, 1788-1866

Das Göttliche - Johann Wolfgang von Goethe
Allmächtiger Geist - Novalis - Friedrich von Hardenberg
Lob der Gottheit - Ludwig Heinrich Christoph Hölty
Die Herrlichkeit der Schöpfung - Friedrich Schiller
Als Gott der Herr auf Erden ging - Klabund
Was ist die Welt? - Hugo von Hofmannsthal
Die Natur - Johann Wolfgang von Goethe
An die Natur - Friedrich Hölderlin
Natur und Kunst - Johann Wolfgang von Goethe
Hymn - The spacious firmament on high - Joseoh Addison

Die Materie

Gesteine, Fossilien - Spuren der Erdgeschichte - Evolution

Über Granit - Johann Wolfgang von Goethe
Die Felswand - Conrad Ferdinand Meyer
Sandlieder - Ferdinand Freiligrath
Der Ichthyosaurus - Joseph Viktor von Scheffel

Land - Landschaft

Ebene Landschaft

Die Erde kam, ein grauer Strom, geflossen.
Kein Damm, der ihre Flut zusammenhält,
Sie hat sich über Berg und Tal und Haus ergossen.
Fern, wo ein schmaler Strich den Horizont erhellt,
Ein Baum. Entwurzelt. Der ins Leere fällt.

Maria Luise Weissmann, 1899-1929

Der stille Grund - Joseph von Eichendorff
Die Landschaft - Rainer Maria Rilke
Abseits - Theodor Storm

Berg und Tal

Auf Höhen

Und ich fragte meinen Lehrer,
Wo der liebe Herrgott wohnt.
"Ei, im blauen Himmel oben,
Wo er mit den Englein thront."

Und die grauen Felsenberge
Ragen doch so hoch empor!
Sieht man von dem steilen Gipfel
In das offne Himmelstor?

Sieht man auch die Engelsscharen?
Hat der Himmel dort ein Loch?
"Ja, natürlich," sprach der Lehrer,
"Warte, du begreifst es noch."

Nein, ich hab' es nie begriffen,
Als ich dann nach manchem Jahr
Oft und oft und immer wieder
Auf den Bergesgipfeln war.

Hoch zu Häupten, fest verschlossen
Wölbte sich das Himmelszelt,
Und ich sah nur kleiner werden
Unter mir die Erdenwelt.

Ludwig Thoma, 1867-1921

Berglied - Friedrich Schiller
The mountain sat upon the plain - Emily Dickinson
Das dunkle Tal - Georg Trakl