Das Gedicht "Seepferdchen" schrieb Joachim Ringelnatz.
Als ich noch ein Seepferdchen war,
 Im vorigen Leben,
 Wie war das wonnig, wunderbar
 Unter Wasser zu schweben.
 In den träumenden Fluten
 Wogte, wie Güte, das Haar
 Der zierlichsten aller Seestuten
 Die meine Geliebte war.
 Wir senkten uns still oder stiegen,
 Tanzten harmonisch umeinand,
 Ohne Arm, ohne Bein, ohne Hand,
 Wie Wolken sich in Wolken wiegen.
 Sie spielte manchmal graziöses Entfliehn
 Auf dass ich ihr folge, sie hasche,
 Und legte mir einmal im Ansichziehn
 Eierchen in die Tasche.
 Sie blickte traurig und stellte sich froh,
 Schnappte nach einem Wasserfloh,
 Und ringelte sich
 An einem Stengelchen fest und sprach so:
 Ich liebe dich!
 Du wieherst nicht, du äpfelst nicht,
 Du trägst ein farbloses Panzerkleid
 Und hast ein bekümmertes altes Gesicht,
 Als wüsstest du um kommendes Leid.
 Seestütchen! Schnörkelchen! Ringelnass!
 Wann war wohl das?
 Und wer bedauert wohl später meine restlichen Knochen?
 Es ist beinahe so, dass ich weine -
 Lollo hat das vertrocknete, kleine
 Schmerzverkrümmte Seepferd zerbrochen
Joachim Ringelnatz, 1883-1934
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