Das Gedicht "Der Blusenkauf" schrieb Otto Reutter.
Wenn Frau'n was kaufen, geht das flink,
 ich weiß, wie's meinem Freund erging,,
 der, jung vermählt, wollt in der Früh
 mal ins Büro, da sagte sie:
 "Lass mich ein Stückchen mit dir gehen" -
 dann blieb sie vor ´nem Laden stehn.
 "Komm, gib mir's Geld - bin gleich zurück,
 es dauert nur ´nen Augenblick.
 Bleib draußen", sprach Frau Suse,
 "ich kauf mir bloß ´ne Bluse."
 Nun geht sie rein - "´nen Augenblick".
 Ihr Mann, sehr heiter, bleibt zurück. -
 Er freut sich - ´s Wetter ist sehr schön,,
 sieht Kinder, die zur Schule gehen. -
 Und sie sagt drinnen zur Mamsell:
 "´ne blaue Bluse, aber schnell!"
 Nun schleppt man alle blauen rein,
 und nach ´ner Stunde sagt sie: "Nein,
 ich finde keine nette,
 ich möchte ´ne violette."
 Nun packt man violette aus.
 Ihr Mann, geduldig, steht vorm Haus.,
 denkt: "Ziemlich lange währt so'n Kauf",
 geht auf und ab - und ab und auf -
 und sie sagt drinnen: "Das ist nett!
 Wie kam ich nur auf violett?
 Da fällt mir ein, Frau Doktor Schmidt
 geht immer mit der Mode mit -
 und die trägt jetzt ´ne gelbe.
 Ach, geb'n Sie mir dieselbe."
 Nun packt man alle gelben aus.
 Ihr Mann wird hungrig vor dem Haus.
 Der Mittag naht - die Sonne sticht,
 die Kinder komm'n vom Unterricht. -
 Und sie sucht drin und sagt alsdann:
 Was geht Frau Doktor Schmidt mich an!
 Wie kam ich auf ´ne gelbe nur?
 Es wird ja Frühling, die Natur
 zeigt frohe Hoffnungsmiene,
 ach, geb'n Sie mir ´ne grüne."
 Nun packt man alle grünen aus.
 Ihr Mann wird matt und seufzt vorm Haus:
 "Gern kauft' ich ´ne Zigarre mir,
 jedoch das Geld, das ist bei ihr-" -
 Und sie sagt drin: "Beim Sonnenschein,
 da wird das Grün zu dunkel sein." -
 Da schaut er rein. "Mein Portemonnaie."
 Sie sagt: "´nen Augenblick noch. Geh!
 Ich bin ja gleicch zur Stelle. -
 Ach, geb'n Sie mir ´ne helle."
 Nun packt man alls hellen aus.
 Da gibt's ein Ungewitter drauß:
 Es regnet bis zum Abendbrot -
 und sie sagt drinnen zur Mamsell:
 "So'n Wetter heut - und dazu hell?
 Und übberhaupt, wir haben bald
 April, da wird's oft nass und kalt,
 dann bin ich die Blamierte.
 Ach, geb'n Se ´ne karierte."
 Nun packt man die karierten aus -
 und er stöhnt, frei nach Goethe, drauß:
 "Was ewig weiblicch, zieht uns an.
 Das Weib, das zieht sich ewig an." -
 Und sie probt drin und sagt entsetzt:
 "Was - Nummer vierundvierzig jetzt?
 Nicht zweiundvierzig, schlank und schick?
 Dann nichts Kariertes - das macht dick",
 ihr Blick zur Taille scchweifte.
 "Dann geb'n Sie ´ne gestreifte."
 Nun packt man die gestreiften aus.
 Ihr Mann, der wankt und röchelt drauß:
 "Ein Augenblick!" Das war ihr Wort! -
 Dann fällt er um - man trägt ihn fort. -
 Da kommt sie mit ´ner roten raus.
 "Hier bin ich schon", ruft froh sie aus -
 und schreit: "Mein Mann!! Mein einz'ges Glück!
 Gott, ist er tot? - Ein Augenblick!"
 Und in den Laden starrt se:
 "Dann geb'n Sie mir ´ne schwarze."
Otto Reutter, 1870-1931
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