Das Gedicht "Die Erdbeeren" schrieb Johann Gottfried Herder.
Holde Erdentöchter,
 Frühlings frühe Kinder,
 Schon aus Sonnenvaters
 Warmem Lebenshauche
 Und aus Mutter-Erden
 Kühlem Schooß empfangen,
 Kühle, süße Beeren!
Wie sie dort im Grase
 Hügelaufwärts glühen
 Und ins Grün erröthen,
 Jetzt den Wandrer lieblich
 Locken, jetzt entschlüpfend
 Täuschen – Buhlerinnen,
 Wie die Erdentöchter!
Ha, wie Vater Frühlings
 Odem sie durchbalsamt,
 Und der Mutter Erde
 Kühle sie erfrischet!
 Wie aus niederm Grase
 Labung auf sie duften!
 Glühen da wie Sterne!
Sollet bald in Schaaren
 Lieblich schwimmen! – Sterne,
 Jetzt in weißer Unschuld,
 Jetzt in goldnem Feuer
 Schöngepaaret! Feuer,
 Unschuld! und der Liebe
 Und der Freude Töchter!
Mir ein ganzer Frühling,
 Mir ein ganzes Leben!
 Unschuld, Kraft und Freude,
 Kühl' und Süße! Rose
 Ohne Stachel, Labung
 Ohne Felsenschlaube!
 Schön und tief im Grase!
Mir ein ganzer Frühling,
 Mir ein Duft aus Eden!
 Als einst Paradieses
 Sel'ge Fluren schwanden,
 Waren's Manns Gebete,
 Waren's Eva's Thränen,
 Die zu Duft da blieben?
Oder bracht' ein Bruder-
 Engel Euch hinieden
 In die Wilde? – Labung
 Wo dem matten Wandrer
 Zu bereiten, Labung,
 Als er, halb verschmachtet,
 Traurig abwärts blickte?
Kommt dem matten Wandrer
 Auch in wüster Wilde
 Labung! Wenn er traurig
 Pfadverloren abwärts
 Blicket – dann erscheint ihm
 Kühle, Labung, ferner
 Rosenduft aus Eden!
Johann Gottfried Herder, 1744-1803
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