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Das Gedicht "Im Spiegelglas" schrieb Max Dauthendey.

Sie hält den Spiegel
Daß ihr Gesicht zum Glas hinfällt
Und ihre gehobene Hand
Stellt Kämme ins Haar.
Das Haar bebt gewellt.
Wenn sie den Arm zum Kopf hochhebt,
Lebt ihres Kleides Samt
In Falt`und Wogen
Um die Gestalt.
Als lauscht sie auf Gras,
Das im Spiegelglas wächst,
Scheint sie vom Spiegel
Weit fortgezogen.
Bis sie langsam vergißt
Und nicht mehr weiß,
Woher sie kam und wer sie ist.
Dann sinkt die Hand mit dem Spiegel lahm.
Sie sieht sich stumm
Errötend um,
Wie eine, die geheim gelogen.

Max Dauthendey, 1867-1918

 

 

 

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